Michael Gerdenitsch: Der nette Sturkopf mit den großen Werten

Der ASVÖ Kickbox Club Rohrbach gilt als Talenteschmiede und stellt dies immer wieder unter Beweis. Mastermind hinter den zahlreichen Erfolgen ist Trainer Michael Gerdenitsch.

Keine dreitausend Einwohner zählt Rohrbach im Bezirk Mattersburg, dennoch ist es in der Kickboxszene jedem ein Begriff. Vor allem der Rohrbacher Nachwuchs eilt von Erfolg zu Erfolg. Zuletzt holten die Top-Fighter Anna und Felix Schmidl etwa bei den prestigeträchtigen Irish Open fünf Medaillen. 

Heute sind die Rohrbacher in der internationalen Elite angekommen, vor ein paar Jahren hingegen leistete man sich den Flug nach Irland gar nicht, weil bei diesem Mega-Event nicht mehr als die Zuschauerrolle geblieben wäre. „Früher waren wir froh, wenn wir in Ungarn bei einem zweit- oder drittklassigen Turnier zwei dritte Plätze gemacht haben“, erinnert sich Coach Michael Gerdenitsch. Damals war für ihn klar: „Wir müssen erst einmal trainieren, uns aufbauen und uns hocharbeiten.“ Der Plan ging auf, weil sich in Rohrbach Talent, Leidenschaft und akribische Arbeit vereinen. Oder wie es Gerdenitsch mit einem Schmunzeln zusammenfasst: „Weil wir fleißig trainieren.” 

 

Talenteschmiede Rohrbach 

Gerdenitsch arbeitet mit vielen seiner Athleten schon seit frühesten Kindheitstagen an zusammen. Felix Schmidl (15), im Vorjahr Europameister und bei den Irish Open Goldmedaillengewinner, ist beispielsweise dabei, seit er sieben Jahre alt war. Er ist eines der vielen Aushängeschilder, zu denen auch seine Schwester Anna (12, Weltmeisterin und Vize-Europameisterin), Sandro Nukic (11, WM-Bronze und EM-Silber) oder Yvonne Schmidl (17, Staatsmeisterin in ihrer Klasse und Europa-Cup-Siegerin) zählen. 

„Ich versuche, meine Ideen und Methoden, die ich schon als Aktiver hatte, einzubringen, aber ohne die richtigen Leute kann man das beste Training nicht umsetzen”, sagt Gerdenitsch, der auch als Bundestrainer fungiert und sich einst als Aktiver einiges vom Fußball abgeschaut hat. „Ich habe auch lange in Rohrbach gekickt und vor allem Schnell- und Reaktionskraftübungen auf den Kampfsport umgelegt. Ich habe mich schon immer ziemlich selbst gequält, und wenn ich nur vier Bäume gesehen habe, zwischen denen ich hin und her gesprintet bin“, erinnert er sich.  

Seine Youngsters und auch die mittlerweile in den Erwachsenenbereich aufgestiegenen Fighter sind zu einem starken Team zusammengewachsen. „Die Kids verzichten auch wirklich auf viel. In der WM- oder EM-Vorbereitung im Sommer stehen sie um halb neun zum Training auf der Matte, obwohl sie Ferien haben. Am Abend müssen sie dann noch auslaufen, am nächsten Tag machen sie Übungen mit den Therabändern usw. Alle ziehen mit und pushen sich gegenseitig, das macht den Erfolg aus“, erklärt Gerdenitsch. Dabei hat jeder seinen eigenen Stil und verschiedene Stärken. „Die eine ist vielleicht die super Taktikerin, die andere eine gute Kickerin, wieder ein anderer ein Technikfuchs. Ich versuche, jeden dort zu fördern, wo sein Talent liegt. Individuelle Stärken forcieren, an den Schwächen arbeiten wir sowieso gemeinsam“, so der Coach. 

15 Turniere in neun verschiedenen Ländern – da braucht es viel Engagement und Herzblut, auch von den Eltern. Für Gerdenitsch kommen noch die reinen Erwachsenenturniere dazu. „Man muss diese Zeit investieren, damit man die Gegner sieht, Erfahrungen hat und auch, damit uns die Schiedsrichter kennen. Das baut sich alles auf“, schildert Gerdenitsch, der am Mattenrand emotional mitfiebert und auch mal um Punkte streitet: „Ich versuche so von draußen meinen Teil beizutragen.“ 

 

Die Philosophie des Michael Gerdenitsch 

Wie man sich als Underdog in die Weltspitze kämpft, weiß der heutige Trainer bestens. Als Aktiver holte er insgesamt fünf WM-Titel, dazu unzählige Staatsmeistertitel und einige Weltcupsiege. Der emotionalste Moment war für ihn sein erster Weltmeistertitel 2000 in Dublin. „Da war ich krasser Außenseiter. Mein Finalgegner hatte bereits die Titel bei zwei kleineren Weltverbände gewonnen und hätte einen Grand Slam schaffen können. Der war besser als alle anderen, ein echter Superstar. Alle haben gesagt: ‘Gegen den hast du sowieso keine Chance.‘ Aber am Ende habe ich ihn haarscharf mit 16:15 Punkten geschlagen“, erzählt Gerdenitsch. 

Typisch für den 41-Jährigen, der sich von solchen Aussagen angestachelt fühlt. „Für mich war immer wichtig: Ein starker Wille versetzt Berge. Wenn ich etwas will, dann kann ich alles schaffen. Auch wenn 17.000 Leute nein sagen“, so Gerdenitsch. „Ich bin ein ziemlicher Sturkopf, aber ich hoffe, auf eine nette Art.“ 

Verglichen mit seinen Schützlingen begann er als 12-Jähriger relativ spät mit dem Kickboxen. Fast 30 Jahre später ist seine Leidenschaft ungebrochen. „Es ist eine ehrliche Sportart. Wenn du jemanden schlägst, ihn besiegst, schaust du ihm dabei in die Augen, es ist fair“, sagt Gerdenitsch. „Kampfsport hat immer ein gewisses Bushido, eine Philosophie. Angst vor niemandem, aber Respekt vor jedem. Ich finde, dass der Sport Werte transportiert und als Trainer will ich Ideale wie Respekt, Wertschätzung, Ehrlichkeit, Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen weitergeben.“ Das Feuer für diesen Ethos bekommen zuweilen auch Eltern zu spüren, die rauchend vor dem Turnsaal warten, während ihre Kinder trainieren: „Ich will nicht unhöflich oder frech sein oder irgendjemandem etwas verbieten, aber es kommt auf die Vorbildwirkung an. Ich bin ehrlich, geradeaus, direkt, aber immer auf eine respektvolle Art.“ 

Werte sind Gerdenitsch auch in seinem Unternehmen SDI – Self Defense Instruction wichtig, mit dem er Gewaltpräventionsprogramme an Schulen durchführt. Gemeinsam mit Trainern aus verschiedenen Stilrichtungen versucht er einfache, effektive Arten der Selbstverteidigung zu lehren, die als letzter Ausweg in einer Auseinandersetzung dienen. Im Vordergrund seiner Szenariotrainings stehen aber klar Vermeidung und Vorbeugung, denn außerhalb des geregelten Wettkampfs gilt für Gerdenitsch: „Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf.“

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